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Im Sommer 1989 begann ich ein einjähriges Studienprojekt mit  einer polnischen Partneruniversität. Zum Abschluss schenkte die Universität  Stettin uns eine Rundreise durch Polen. Dabei kamen wir auch nach Auschwitz.  Gleich am nächsten Tag hatte ich die Gelegenheit, einen Abstecher in die  Heimatstadt meiner Mutter, Guttentag, zu machen, aus der sie als Dreijährige  geflüchtet war. Es war ein merkwürdiges Gefühl. Ich kannte so viele  Erzählungen, aber ich hatte mir Guttentag nie als konkreten Ort vorgestellt,  räumlich war er durch den eisernen Vorhang ja unerreichbar und außerdem aus  einer längst vergangenen Zeit. Nun stand ich dort und es war ein ganz normales,  polnisches Kleinstädtchen. Mein Großvater, Wilhelm Schatka (geb. 1899), war  dort Schuhhändler gewesen und war den Erzählungen nach ein reicher Mann. Er  habe für jedes seiner 6 Kinder bereits Häuser gekauft gehabt und sei der erste im  Ort mit einem Auto gewesen. Eine ehemalige Verkäuferin meines Großvaters führte  mich durch den Ort und an einer Stelle sagte sie beiläufig, dass hier die  jüdische Schule gestanden habe, die mein Großvater gekauft habe. Ich habe das  in diesem Moment gar nicht realisiert und keine weiteren Fragen gestellt. 
  
  
    Ich kam nach Hause und begann Fragen nach der jüdischen Schule  zu stellen. Ich erhielt nur unbefriedigende Antworten. Mein Großvater habe den  Juden doch nur helfen wollen und alles sei doch legal gewesen. Ich hatte gleich  das Gefühl, dass ich zurück nach Polen fahren müsste, aber ich war eine  blutjunge Studentin und hatte kein Geld für die Reise. Außerdem wusste ich  nicht so recht, wie ich dort an Informationen kommen sollte.
  
    An dem folgenden Wochenende eskalierte die Situation. Helmut  Kohl akzeptierte die polnische Westgrenze und mein Vater, der als 5jähriger aus  Pommern geflüchtet war, began am Mittagstisch nicht nur zu schimpfen, sondern  auch Nazi-Parolen zu pöbeln. Kohl könne doch seine Heimat nicht verschenken und  schließlich sei Deutschland ein Volk ohne Land. Ein Wort gab das andere und am  Ende brüllte mein Vater, ich solle doch nicht nach Auschwitz fahren, wenn ich  das nicht ertragen könne. Ich reiste ab und dachte, ich würde nie wieder  kommen. Mein Vater hatte aber zumindest den Ernst der Situation verstanden und  rief mich zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben an. Wir einigten uns stillschweigend  darauf, nie wieder über kritische Fragen zu sprechen. Wir haben uns beide daran  gehalten und bis zu seinem Tod 2002 allenfalls noch über das Wetter und das  Essen geredet.
  
  2013 starb  meine Mutter und es kam zum Bruch  mit meiner Familie mütterlicherseits inklusive meiner einzigen Schwester und zu  einem erbitterten Erbstreit. Ich verstand nicht, was da passierte, warum es  nicht möglich war, miteinander zu reden und den Konflikt konstruktiv zu lösen,  obwohl zahlreiche Lösungsmöglichkeiten offen auf dem Tisch lagen. In der  Hoffnung, die Mechanismen des Familienkonfliktes zu verstehen, ging ich erneut  auf die Suche nach der Familiengeschichte. Ich stieß auf Akten aus dem  Lastenausgleichsverfahrens meines Großvaters. Sie wurden der Ausgangspunkt  einer längeren Recherche.
Nach Abschluss dieser Recherche bin ich davon überzeugt, dass der heutige Familienkonflikt im Kontext der Familiengeschichte besser zu verstehen ist. Darüber hinaus kam bei den Recherchen die filmreife Geschichte einer jüdischen Familie zum Vorschein. Sie ist filmreif,
Mit dieser website möchte ich der Familie Eisner wenigstens ein kleines Denkmal setzen, damit nie wieder vergessen werden kann, was ihnen geschah.

PS: Im Verlauf der Recherche habe ich immer mehr Informationen auch über andere jüdische Familien erfahren. Diese Informationen habe ich im Kapitel Andere Familien dokumentiert.