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Die Familie Hepner

Etwa zur gleichen Zeit, wie meine Recherchen begannen, besuchte Ann Michel Guttentag. Als ihre Großmutter, Loschka Michel, 1988 starb und Ann ihre Wohnung ausräumte, fand sie heraus, dass ihre Ur-Großeltern Salo und Else Hepner Juden waren und einen Gutshof in der Nähe von Guttentag bewirtschafteten.

Ann konnte kurz darauf ihren Vater überreden, nach Guttentag zu fahren, kurz bevor dieser selbst starb. 2014 kehrte Ann mit einer Reporterin des NDR zurück. Sie fand heraus,

Während der Arbeiten an der Radio-Reportage entwickelte sich in Ann der Wunsch, das verfallene Gut zu sanieren.

Hören Sie hier, wie die Urenkelin der Hepners nach ihren Wurzeln forscht oder lesen Sie hier die Mitschrift.

Diese Idee war in Guttentag hoch willkommen. Im März 2015 organisierten der NDR und das Deutschen Kulturforum östliches Europa eine Podiumsdiskussion, um Ideen für eine zukünftige Nutzung zu entwickeln. Dabei wurde neben Ann Michel auch Bolko von Schweinichen, der Sohn von Udo von Schweinichen, auf dem Podium platziert.

Lesen Sie hier einen Zeitungsartikel, der über diese Podiumssitzung veröffentlicht wurde.

Auf meine Nachfragen nach dem Umständen des Kaufes, konnte mir keiner Antworten geben. Ich konnte es nicht fassen! Ohne Recherche über die Umstände des Kaufes bringt man die Ur-Enkelin der Opfer mit dem Sohn des Käufers aus der Nazizeit zusammen. Als ich meinem Entsetzen darüber gegenüber dem Kulturforum Ausdruck verlieh, stieß wiederum dies auf Unverständnis. Ann Michel und Bolko von Schweinichen hätten sich sehr gut verstanden, ja, sich sogar in den Armen gelegen... Bei so viel Unbefangenheit hielt ich eine weitere Diskussion für zwecklos.

Salo Hepner war gut befreundet mit dem katholischen Pfarrers Johann Gladysz (* 5.07.1881  ✝22.03.1967). Dieser schrieb 1947 an die Familie Eisner und beschreibt dort, wie hoch angsehen das Ehepaar war, wie mildtätig und wie grausam sein Schicksal. Diesen Brief übersetzte ich für Ann Michel und sandte ihn ihr über den NDR.

Lesen Sie hier, was der Guttentager Pfarrer Gladysz
u.a. über die Familie Hepner schreibt. Bitte beachten Sie eine Fehler von Gladysz:
die Hepners wurden nicht nach Freudenthal, sondern Theresienstadt deportiert.

Hepner_Gladysz

So bekam Ann Michel auch Kenntnis von meinen Recherchen über meinen Großvater und nun kamen auch ihr Zweifel an der Rolle Udo von Schweinichens.

Ich bot an, ihr bei der Recherche zu helfen und forderte die Restitutionsakten ihrer Ur-Großeltern an, gestellt von den beiden Kindern, Loschka Michel und Gertrud Hepner.

Hier das Ergebnis meiner Recherchen und der Angaben von Ann Michel:

Hepners 1940Salo Hepner (geb. am 29.01.1865 in Jaratschewo) und seine Ehefrau Else (geb. Wendriner, geb. am 16.4.1877) betrieben den Johannahof (heute Bziunkow), ein Resthof, in Wiesenau nahe Guttentag. Der Hof hatte eine Größe von 432 ha und umfasste auch eine Brennerei (auf Kartoffelbasis) und eine Gärtnerei. Salo Hepner züchtete Warmblüter, Rinder und Schweine. Das Herrenhaus hatte 14 Zimmer.

Seit 1890 war Salo Hepner als Verwalter für den Johannahof tätig. 1926 kaufte er das Gut für 375.000 RM, benötigte dafür allerdings eine Hypothek von 294.000 RM.

Hier finden Sie den Kaufvertrag für den Johannahof.

Salo Hepner soll zudem bis zur Machtergreifung der Nazis im Vorstand der Guttentager Sparkasse gewesen sein (Aussage Heinz Pallus, Sohn des Vorstandsvorsitzenden Sparkasse) und er war Amtsrat.

1938 hatte Salo Hepner das Gut offenbar bereits an den Generaldirektor J. Kolodziejook verkauft. Als in der Reichskristallnacht die betrunkenen SA-Leute kamen, stellte sich dessen Schwager Bieber vor den Hof und machte ihnen klar, dass der Hof bereits nicht mehr dem Juden Hepner, sondern einem Arier gehörte. So konnte er verhindern, dass auch der Johannahof in Schutt und Asche gelegt wurde.

Lesen Sie hier die Zeugenaussage von J. Kolodziejook

Am darauffolgenden Tag nahmen die Nazis ihr Vorkaufsrecht in Anspruch.Der Johannahof ging in den Besitz der öffentlichen "Oberschlesische Landgesellschaft" über. Der Kaufpreis wurde auf ein bereits konfisziertes Konto der Hepners überwiesen, von dem sie monatlich 150 RM für ihren eigenen Lebensunterhalt entnehmen durften.

Die Hepners unternahmen 1939 wohl einen Fluchtversuch. Sicher scheint, dass sie in einen Zug nach Hamburg einstiegen, der sie zu einem Schiff nach England bringen sollte. Das hatte ihr Schwiegersohn organisiert, der in New York für die Organisation "Freiheit für deutsche Juden" tätig war. Als der Zug in Hamburg ankam, saßen die Hepners aber nicht mehr drin.

Wo die Hepners nach 1938 lebten ist unbekannt. Im Frühjahr 1942 sollen sie verhaftet worden sein. Am 26.07.1942 wurden sie aus einem Judenhaus in der Kürassierstr. 19 in Breslau nach Theresienstadt deportiert. 2 Tage vorher durfte Salo Hepner seiner Tochter noch eine Postkarte schreiben, die leider nicht erhalten geblieben ist.

Hier finden Sie die Deportationsliste des Transporte IX/1.

In Theresienstadt starb Else Hepner nur wenige Wochen nach der Ankunft am 12.08.1942, ihr Mann Salo nach einem Jahr, am 9. Juli 1943. Wenige Tage vor seinem Tod ließen die Nazis Salo noch einmal eine Postkarte schreiben, die ebenfalls nicht erhalten ist. Den Tod seiner Frau durfte er nicht erwähnen.

Hier finden Sie die Todesfallanzeige von Salo Hepner.

Am 1.7.1943 wurde der Johannahof an Udo von Schweinichen verkauft. Aus einer Offiziers-Familie stammend hatte Udo von Schweinichen sich entschieden, Landwirt zu werden. 1922 hatte er eine Lehre bei den Hepners gemacht. 1943 war auf der Suche nach einem eigenen Hof, den er langfristige bewirtschaften wollte. Als man ihm davon berichtete, dass der ihm gut bekannte Johannahof verkauft würde, griff er zu. Dabei kaufte er nur 286 ha, der Rest ging an Kleinsiedler. Er zahlte 315.000 RM. Wenige Tage vor Kriegsende zahlte er noch 214.000 RM der Hypothek zurück, so dass er insgesamt einen Betrag von 529.000 RM bezahlte. Während Udo von Schweinichen den Vertrag unterschrieb, lag Salo Hepner in Theresienstadt schon im Sterben. Sein Gut hatte die Oberschlesische Landgesellschaft ihm schon 5 Jahre vorher genommen. Udo von Schweinichen war also in keinster Weise an der "Arisierung" des Hofes beteiligt. Allerdings kannte er Salo Hepner und wusste, dass dieser Jude war. Er muss also zumindest geahnt haben, wie die Oberschlesische Landgesellschaft in den Besitz des Hofes gelangt war und welches Schicksal das Ehepaar Hepner im Weiteren zu erleiden hatte. Hat er sich damit indirekt an den Machenschaften der Nazis beteiligt, trägt er eine indirekte Schuld? Diese Frage wird vermutlich jeder anders beantworten.

Loschka (Lotte), Salo und Elses Tochter (* 19.08.1902), hatte am 7.7.1921 Dr. Maximilian Michel (*22.10.1888) geheiratet und hatte mit ihm zwei Söhne. Dr. Michel wurde Theaterdezernent der Stadt Frankfurt und Aufsichtsratsmitglied des Hessischen Rundfunks. Bereits am 8. Januar 1931 stellte das NSDAP Mitglied Karl Lang einen ersten Mißtrauensantrag gegen Dr. Michel, weil dieser das Theaterstück "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" von Bertold Brecht als ethisch und moralisch einwandfrei bezeichnet hatte. 1931 scheiterte der Antrag noch. Aber im August 1933 verlor Dr. Michel aufgrund des im April 1933 neu geschaffenen Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums seinen Posten und wurde in den Ruhestand versetzt. 1936 zog er mit seiner Familie nach Berlin um. 1939 holte er sich die Erlaubnis, seinen Wohnsitz ins Ausland zu verlegen. Diese wurde ihm gewährt und seine Pension fortan auf ein bei einer Devisenbank geführtes "Sonderkonto Versorgungsbezüge" gezahlt. Die Familie Michel emigrierte nach New York. 1940 wurde Dr. Michel ausgebürgert. Damit verlor er auch seine Pensionsansprüche. Bereits 1941 wurde Loschka Witwe. Er starb an gebrochenem Herzen, wie sich später in der Familie erzählt wurde. Loschka eröffnete zunächst ein Pensionat, später wurde sie mit einem Catering-Service wohlhabend. Sie starb 1988 in New York.

Pensionat

Ihr Schwester Trude Hepner (*17.04.1904) lebte auf dem Johannahof und bewirtschaftete ihn mit ihrem Vater. 1941 schaffte sie es gerade noch zu entkommen, zunächst nach Davos, offiziell zur Behandlung ihres Augenleidens. Im November 1951 folgte sie ihrer Schwester nach New York. Dort angekommen genießt sie alles: das reiche Warenangebot aus aller Herren Länder, die Lichter der Stadt, die Landschaft und das Wetter, Rodeoturniere genauso wie Theaterbesuche.

Lesen Sie hier einen Brief, den Trude (Truschka) im Dezember 1951
an die Familie Dr. Roczek in Guttentag schrieb.

Sie heiratete nie, wurde die Geschäftspartnerin ihrer Schwester und wohnte auch mit ihr zusammen. 1970 war sie fast erblindet. Sie starb 1977.

Beide Schwestern beantragten eine Entschädigung und erhielten jeweils knapp 40.000 DM. Dabei wurde der Einheitswert des Johannahofes voll anerkannt, davon nur ein Teilbetrag der Hypothek und 6.300 RM abgezogen, der Betrag, den Salo Hepner zu seinem eigenen Lebensunterhalt von dem konfiszierten Konto entnehmen durfte (42 Monate a 150 RM).

Aus Frankfurt erhielt Loschka zudem eine Rente, die auf der Basis von 75 % des letzten Gehaltes und ihrem Anteil als Witwe berechnet wurde.

Lesen Sie hier die Feststellung der Rentenhöhe.

Loschka besuchte in den 50er und 60er Jahren ca. alle 2 Jahre Frankfurt. Auch ihr Sohn Henry zeigte seiner Ehefrau einmal Frankfurt. Dabei wurden sie nicht nur freundschaftlich empfangen, sondern fast wie Staatsgäste: Sie wurden mit einem Wagen der Staatskanzlei vom Flughafen abgeholt, zur Begrüßung und zur Verabschiedung wurden - zumeist rot/weiße - Nelken überreicht, es wurden Empfänge und Ausflugsprogramme organisiert, Essenseinladungen ausgesprochen und Loschka durfte die Opernkarten des Oberbürgermeisters benutzten. Häufig wurden ihr Bücher über den Wiederaufbau der Stadt nach Amerika geschickt. Sie erhielt auch Unterstützung bei ihrem Restitutionsverfahren. Einmal versprach ihr der Oberverwaltungsdirektor Kohl sogar, ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister, ihm selbst und dem Baudezernenten zu arrangieren, mit dem Ziel vielleicht doch noch zu einer positiven Abwägung ihrer Forderungen zu kommen, weil über den Amtsweg nichts mehr erreicht werden könne.

Lesen Sie hier das Gesprächsangebot mit dem Bürgermeister.

Auch Udo von Schweinichen stellte einen Lastenausgleichsantrag. Leider ist die Akte nicht mehr auffindbar. Sicher ist aber, dass er lang vor den Töchtern von Salo und Else Hepner entschädigt wurden, weil der Briefwechsel in die USA jeweils mehrere Montate benötigte und die Behörden weder bereit waren, Luftpostbriefe zu senden, noch die Post direkt an die Anwälte der Schwestern zu schicken, statt sie umständlich über US-Behörden laufen zu lassen.

 

Johannahof

Hepners 1900

Familie Hepner